Wir machen uns selber klein – auch ich bin Schuld daran.
Ich bin Tech-Junkie, Early Adopter oder einfach Nerd. Eigentlich mein ganzes Leben. Viele neue Technologien faszinieren mich, bringen mich dazu Geld auszugeben und sie abzufeiern. Ich nutze sie, empfehle sie auch gern. Aber manchmal stelle auch ich zu wenig kritische Fragen. Der Hype um ChatGPT hat bei mir aber etwas Neues ausgelöst. Ein Gefühl, dass schon etwas länger in mir geschlummert hat. Es ist der Wunsch: Tools, Tech und als das zu sehen, was sie sind: Werkzeug und damit als etwas, was Menschen helfen soll. Dabei bestimmen diese Tools immer mehr unser Leben, ja immer mehr unseren eigenen Wert.
ChatGPT – Abendliche Diskussion bei einem (mehreren) Bieren
Ich habe viele Gespräche, Meinungen zu KI und Co. geführt, viele Podcasts gehört und Artikel gelesen, aber die Auswirkung von ChatGPT auf die Selbsteinschätzung von Menschen in Bezug auf Ihre eigene Leistung, ihre Intelligenz ist schon verblüffend. Eine Diskussion in den letzten Wochen ist bei mir besonders hängen geblieben, sie fand bei uns im Fuchsbau statt und im Zentrum ging es um: ChatGPT und die Möglichkeiten der KI.
In dieser Diskussion schwang das Pendel schwer von: “das ist die größte Revolution seit…” (sucht euch hier etwas aus, aber mind. seit dem Buchdruck oder so), bis “das ist einfach nur ein Tool, dass toll Worte voraussagen kann”. Die eine Seite sieht darin die größte Veränderung für alle Menschen in der Arbeitswelt und die andere nur ein weiteres Tool, dass gerade vom Hypetrain geritten wird.
Nun, die Wahrheit liegt mal wieder in der Mitte und bitte nicht missverstehen, Large Language Models (ChatGPT) und generative KIs (Midjourney u.a.) sind tolle Werkzeuge. Sie können Arbeit vereinfachen, die Effizienz erhöhen, Kreation befördern und repetitive Tätigkeiten abbauen. Was aber in allen Diskussionen mitschwingt, jedenfalls auf der Seite derer, die in diesen Tools den ganz neuen, großen Durchbruch in der Entwicklung der Menschheit sehen, eine Neubewertung von Intelligenz, Arbeitsergebnissen und damit des Bildes des Wertes von arbeitenden Menschen. Und das muss nicht sein, so jedenfalls mein Plädoyer.
Bewunderung und Überraschung für ChatGPT verstellt den Blick für das Wesentliche
Ob KIs unsere Arbeitswelt gefährden, liegt ganz in unserer Hand und in unserem Verständnis von Arbeit. Jede technische Revolution brachte Veränderungen am Arbeitsmarkt mit sich. Arbeitsschritte werden wegrationalisiert, aber zur Wahrheit gehört auch, dass Neue entstehen und meist mehr als zuvor.
Mit ChatGPT beginnt diese Neuverhandlung von Neuem. Welche Arbeiten lassen wir durch KIs durchführen?Welche behalten wir, weil wir ihnen einen großen Wert zumessen? Dieses Mal geht es aber nicht um die rein physische Stärke einer Maschine oder die Geschwindigkeit mit derer sie Arbeiten erledigen kann. Es geht auch nicht darum, dass eine Maschine nie müde wird, Urlaub benötigt oder gegen Arbeitsaufgaben rebelliert. Das sind Unterscheidungen zwischen Menschen und Maschine in der Vergangenheit. Heute geht es um den Wert der menschlichen Intelligenz, denn auf diesem Gebiet scheinen die KIs nun zu punkten.
Nicht wenige Menschen, die ich kenne, halten KIs heute schon für intelligent. Einige sagen auch, das dauere noch bis Version 8, 9 oder 10. Die Ergebnisse einer Anfrage an Midjourney, Gamma.ai seien ähnlich wertvoll, wie die eigenen Arbeitsergebnisse zu bewerten. Zusätzlich werden Artikel und Headlines zitiert, KIs können juristische Prüfungen erfolgreich absolvieren. Das müsse ja jedem zeigen, dass es sich um echte Intelligenz handelt. Menschen machten ja auch nichts anderes als Worte in Sätzen zu erraten oder erlerntes Wissen wiederzugeben.
Aus meiner Sicht verstellt die Bewunderung für die Fortschritte in der technischen Entwicklung von KIs dabei den Blick für das Wesentliche. Nämlich den Wert menschlicher Arbeit, was wir als Arbeit bezeichnen und wann wir wirklich unsere Intelligenz dort einsetzen.
Vom Wert der Arbeit und nicht der Aufgabe
Die Ergebnisse von ChatGPT und Co. sind in Teilen wirklich beeindruckend. Wenn wir auf den Wert in vielen Arbeitsumfeldern schauen, dann kann hier vieles schneller, einfacher entstehen. Coding, Marketing Headlines, Meetingagendas usw. In weiten Teilen repetitive Arbeiten. Über Jahre erlernte Tätigkeiten, die einige zur Perfektion bringen, andere täglich wiederholen müssen. Die technische Möglichkeit das alles in Sekundenschnelle (re)produzieren zu lassen, zeigt eigentlich, dass wir Menschen Arbeitsaufgaben geben, die zumeist wenig Wert an sich besitzen.
Wenn wir ChatGPT ohne eigenes Wissen benutzen, um bspw. Marketing-Headlines und Copies zu erstellen, dann kann hier ein gutes Ergebnis herauskommen. Aber ohne menschliche Erfahrung wird dies nicht wiederholbar gelingen. Es braucht das Wissen, die Erfahrung, was eine gute Headline ausmacht. Was braucht meine Zielgruppe wirklich? Grenzt sich das Ergebnis von ChatGPT von meinen Mitwettbewerbern genug ab? Genau diese Fragen machen den Wert der Arbeit von Menschen aus, nicht allein das Handwerk des Textens.
Gleiches gilt für das Coding. Es ist begrüßenswert, dass es mit KIs einfacher ist Code zu erstellen, zu verstehen und auch schneller gehen wird, bis Digitales entsteht. Aber auch hier gilt, bis auf die wirklich Guten ihres Fachs, die reine Handarbeit des Codings ist nicht der Wert der Arbeit eines Menschen.
Wir geben Menschen Jobs in denen sie solche Tätigkeiten durchführen. Repetitive, einfache Tätigkeiten. Dafür werden sie bezahlt. Einige sind damit auch zufrieden, da sie den Selbstwert nicht über ihre Arbeit definieren. Andere definieren ihren Selbstwert über ihre Arbeit und KIs stellen diesen vielleicht in Frage. Dabei sagen diese Tools mehr über unseren Wert von Arbeit aus als uns lieb ist.
Die Niederschwelligkeit vieler Arbeitsaufgaben wird oftmals mit Titeln und Lohn verdeckt. Die Ergebnisse der KIs zeigen daher vielmehr, wie viele Arbeitsfelder es gibt, wo Menschen nur einen kleinen Teil ihres Wissens, ihrer Erfahrungen und ihrer Intelligenz einbringen können. Von juristischen Prüfungsleistungen, über die Erstellung von Berichten für Jahreshauptversammlungen bis zur Befüllung von Excel-Tabellen, all das sind Aufgaben, die Menschen machen. Sie werden dafür bezahlt, meist wenig wertgeschätzt. Und darin liegt der Denkfehler. Wir haben Berufe, Bildungszweige und Arbeitsfelder, die wir seit Jahrzehnten nicht weiterentwickelt haben.
Es gibt zu viele Bullshit-Jobs. Danke ChatGPT, dass Du uns das zeigst
Wenn wir an einem Punkt stehen, wo Tools uns mehr Zeit verschaffen könnten, weil sie Aufgaben übernehmen, die wir mit tollen Titeln, Lohn, aber wenig Wertschätzung und Weiterentwicklung bedenken, dann sollten wir das nicht dazu nutzen, um noch mehr vom Selben zu schaffen.
Noch mehr Marketing, noch mehr simples Auswendiglernen, noch mehr Wiedergabe des Gleichen oder noch mehr Simple Code. Wir sollten diese Zeit nutzen, um Menschen mehr Zeit zu geben Dinge zu tun, die a.) Was mit Intelligenz zu tun haben b.) Was mit anderen Menschen zu tun haben und c.) Vor allem Dinge sind, die Menschen wirklich, wirklich wollen. Dieser Gedanke beschäftigt nicht nur mich. Er ist Kern der DNA von Fuchs Devils Wild. Tools unterstützen Menschen dabei, die Arbeit zu tun, die sie tun wollen. Menschen passen sich nicht an Tools an, um die besten Ergebnisse zu bekommen. Wir verkürzen nicht unsere Möglichkeiten zu denken, damit sie in die Prompt-Zeile von Midjourney passt. Mit TOMORROW haben wir auch schon in eine solche Richtung gedacht und treiben das auch weiter voran, denn die Arbeitswelt von Morgen ist eine, die auf Kreation, Intelligenz, Empathie von Menschen setzt, – unterstützt durch Technologie.
Wir brauchen folglich mehr Menschlichkeit, mehr Humanismus in der Entwicklung von Tools, KI, damit wir diese in den Fokus der Weiterentwicklung von Menschen, der Gesellschaft und der Arbeit stellen können.
ChatGPT ist weder intelligent, noch kann es menschliche Intelligenz ersetzen. Es ahmt Menschen in Situationen nach, wo wir einfache Arbeiten tun, wenig nachdenken und/oder uns mit einfachen Antworten begnügen. Das ist beeindruckend, kann aber nicht unser Anspruch sein. Wir verdienen mehr und die Zeitgewinne durch KIs können wir gut nutzen, um besseres zu tun, als wir vorher in unseren Jobs gemacht haben.
Dieser aktuelle Impuls wurde auch durch den Podcast von Ezra Klein ausgelöst, der wie immer die passenden Worte zum Thema gefunden hat.