Man könnte so gut arbeiten, wenn nur diese Projektmanager mit ihrer Ahnungslosigkeit, ihrem unnötigen Overhead, den Exceltabellen und unnötigen Maßnahmen nicht wären! So denken viele IT-Spezialisten. Die Projektmanager wiederum verzweifeln daran, dass ihre Mühe nicht wahrgenommen wird, Teams durch teilweise sehr komplexe Projekte zu bringen und dabei Qualität, Teamspirit und Budget immer im Auge zu behalten und gegeneinander auszutarieren. Wir erklären, was Projektmanager tun sollten, um den Religionskrieg zwischen Generalisten und Spezialisten zu überwinden.
Schauen wir in einen Meetingraum in einem mittelgroßen Unternehmen in Deutschland. Es ist Montag, es ist das 23. Projektstatus-Weekly des Projekts. Das Projektteam und der Projektmanager sitzen zusammen und schauen auf eine Zahlenwüste. Der Projektmanager fragt, wie ein Roboter, alle einzeln zum aktuellen Status ab. In der Exceltabelle sind zwar alle Teilschritte, Meilensteine usw. eingetragen. Kontext, zusammenführende Informationen und Risikobetrachtungen fehlen aber. Alle Teammitglieder schauen lustlos in ihre Notebooks und Handys.
Das Meeting ist allein für den Projektmanager, das Team empfindet es als totale Zeitverschwendung. Eigentlich könnte er herausfinden, dass eine projektkritische Hardware nicht rechtzeitig eintreffen wird, aber die Frage kommt erst im 25. Projektstatus-Weekly. Dann ist es zu spät und der Kunde kann nicht rechtzeitig über mögliche Alternativen informiert werden.
Wer sich nur auf Methoden, Exceltabellen und Projektmanagement-Tools zurückzieht, wird auch nur mit diesen Themen assoziiert. Es ist wichtig, sich in diesen Bereichen auszukennen und einen Werkzeugkoffer an Methoden und Tools aufzubauen.
Die Projektmanager als Schlüsselfiguren
Eine der wichtigsten Aufgaben von Projektmanagern ist die Kontextualisierung in Projekten:
- Wo stehen wir?
- Wie gehen wir die nächsten Schritte an?
- Wo steht das Projekt?
Diese und viele weitere Fragen kommen in Projekten auf und müssen von den Projektmanagern aufgenommen, verarbeitet und im Team sowie mit den Stakeholdern, beispielsweise Kunden, wie im obigen Beispiel, kommuniziert werden. Projektmanager können bei der Kontextualisierung auch kreativ werden, damit dies nicht zu einer einfachen Informationsweitergabe verkommt. So werden sie nicht mehr nur als Excel-Schubser wahrgenommen, sondern als zentrale Kommunikations- und Informationslieferanten im Projekt.
Die Dokumentation ist die Basis für alles
Aber bevor wir kreativ werden können, brauchen wir eine Basis und diese liegt in der Projektdokumentation. Warum gerade hier? Um die später folgenden kreativen Formate zu entwickeln, brauchen Projektmanager alle Daten aus den Projekten immer in aktueller Form und möglichst an einem Ort.
Ferner ist das Thema Dokumentation in Projekten meist eine ungelöste Baustelle. Niemand macht es gern, es wird oftmals vernachlässigt und am Ende gehen viele Informationen verloren oder werden täglich/wöchentlich gesucht. Das ist für alle im Projekt sehr belastend, aber besonders für Projektmanager, da sie eigentlich die Hand auf der Dokumentation haben sollten. Damit die Dokumentation gelingt, hier ein paar einfache Tipps.
Alles steht in der Projekt-Charta
Projekte brauchen, wie Treppen, auf die man steigt, Geländer, an denen man sich festhalten kann. Von daher werden in der Charta zu Beginn neben Rollen und Verantwortlichkeiten auch die Dokumentationsorte (am besten nur ein Ort) festgeschrieben. Es braucht einen zentralen Ort und eine Toolauswahl, die es allen Projektbeteiligten ermöglicht, die Dokumentation nachvollziehen zu können.
Auch wenn es in Teilen des Projektes mal Spezialtools zur Umsetzung braucht, in denen dokumentiert wird, so sollte es auch ein übergeordnetes, einfach einseh- und verwendbares Tool geben, in dem die Dokumentation zusammengeführt wird. Klassischerweise können hier Arbeitsmittel wie Atlassians Confluence oder MS One Note eine gute Rolle spielen.
Das IT-Paradigma Single Source of Truth gilt auch für die Projektdokumentation, denn auch wenn u.U. in einigen Tools dokumentiert wird (z.B. im Code), muss sichergestellt werden, dass sich die Stände nicht widersprechen und stets aktuell sind. Von daher gilt hier das Mehraugenprinzip und die Aufteilung der Verantwortung, die Stände zu checken und aktuell zu halten. Aber am Ende stehen Projektmanager für das Gesamtergebnis der Dokumentation ein.
Was nicht dokumentiert ist, gilt nicht
Am Ende von Besprechungen, nach Stakeholder-Meetings oder auch bei kurzen Abstimmungen in der Kaffeeküche – immer muss dokumentiert werden. Was nicht niedergeschrieben wurde, gilt nicht. Das ist aufwendig, aber notwendig, um den Projektverlauf nachvollziehbar zu gestalten. Warum wurde was wann entschieden?
Aber damit das auch stattfindet, müssen alle mit anpacken. Rotierende Dokumentationsverantwortlichkeiten sind hier die Lösung. Alle sind mal dran, dann ist der Aufwand für einzelne nicht zu hoch.
Mit unserer Dokumentation als Grundlage schauen wir nun drei Möglichkeiten an, in Projekten kreativer zu führen, zu vermitteln, Kontexte bereitzustellen. Natürlich muss man schauen: Was passt zu meinem Projekt, was passt zu meinem Team und was passt zu mir? Auch bei der Anwendung von kreativen Projektmanagement-Methoden gilt, authentisch zu bleiben.
Drei kreative Methoden für Projektmanager
Wir haben diese Methoden ausgewählt, weil wir sie selbst in Projekten einsetzen und weil wir diese auch in Schulungen vorstellen und als Feedback bekommen, dass sie sich gut in den Projektalltag integrieren lassen. Die Vorstellung der einzelnen Methoden kann nur als Sprungbrett, also als Startpunkt für eine tiefergehende Beschäftigung verstanden werden.
Nehmen wir als Basis nochmals unseren Projektmanager vom Beginn des Artikels. Er hat es über die Zeit geschafft, sein Team in der Kommunikation zu verlieren. Meetings finden zwar statt, sind aber unproduktiv und bringen insbesondere den Spezialisten im Team nicht nur nichts, sondern verärgern sie. Denn statt sich um die Konzeption und Umsetzung des Projektes kümmern zu können, verbringen sie zu viel Zeit in Meetings.
Am Ende entsteht auf beiden Seiten kein gutes Gefühl. Der Projektmanager hat nie das Gefühl, wirklich alle relevanten Informationen vom Team zu bekommen, und das Team empfindet den Projektmanager als überflüssigen Zeitfresser, der keine Ahnung vom Projekt hat. Das muss aber so nicht sein. Mit den folgenden Beispielen helfen wir diesem Projektmanager und geben allen anderen Projektmanagern vielleicht auch einen Anstoß, anders ihre Arbeit anzugehen.
Storytelling – Projekte brauchen Narrative
Warum hören wir gern Geschichten? Weil sie Daten vermitteln, Informationen weiterleiten und das mit Emotion und Herz, wenn sie gut gemacht sind. Dieser Umstand gilt natürlich auch für Projektkommunikation. Ob die Einleitung des Projektes im Kick-off oder in Daylys, Weeklys etc., mit gezieltem Storytelling schaffen Projektmanager eine gemeinsame Verständnisbasis im Projekt.
Dabei muss man keine riesigen Geschichten erzählen oder artifizielle Bilder entwerfen. Eine möglichst projektnahe Art des Storytellings, nahe an der Teamkultur, gilt es zu implementieren. Aber wie macht man das konkret?
Wir nehmen die einfachste Art der Geschichte nach Aristoteles: Eine Geschichte besteht immer aus einem Anfang, einer Mitte und einem Ende. Dieses einfache Drei-Schritt-Modell lässt sich einfach auf die alltägliche Teamkommunikation anwenden. Am einfachsten kann man das schon für Meeting-Agenden nutzen.
Wir gliedern die Agenda in drei Teile:
- Ausgangslage, Herausforderung, Lösung
- Problemstellung, Lösungsfindung, Entscheidung.
Es gibt noch weitere Möglichkeiten. Aber diese einfache Dreiteilung des Meetings gibt schon Struktur und die Teilnehmer können sich vorbereiten und entscheiden, ob sie bei dem Meeting gebraucht werden. Ferner gibt es so auch eine Struktur und ein Meeting-Ziel, das dann wieder dokumentiert und nachverfolgt werden kann.
Die passende Bildsprache für anstehende Herausforderungen
Man kann das noch etwas erweitern. Wenn man diese Drei-Schritt-Methode anwendet, kann das auch mit einfachen Bildern untermalt werden, zum Beispiel bei einer anstehenden Herausforderung mit einem Teammitglied, das im Rückstand mit der Lieferung eines Teilschrittes ist:
Im Rahmen eines Meetings teilt ein Teammitglied mit, im Rückstand zu sein und dass so auch die Fortschritte für andere Teammitglieder gefährdet sein können. Anstatt wie sonst diese alleinig in seiner Exceltabelle lediglich zu verwalten, greift unser Projektmanager zum Storytelling. Im Folgemeeting widmet er sich dem Problem Rückstand, indem er schon in der Agenda per Drei-Schritt die Struktur für das Meeting vorgibt: aktueller Projektstand, Herausforderung durch Rückstand, Erarbeitung gemeinsamer Lösung mit Team. Somit wissen alle im Team, was sie erwartet, und können Lösungen, Ideen mit ins Meeting bringen. Es entsteht eine effiziente Zusammenarbeit.
Anhand solcher einfachen Ansätze können Storys in Projekten schon ihre Kraft entwickeln.
Gamification und Visualisierung
Arbeit mit einem kompetitiven Team oder einem Team, das kompetitiv sein sollte, es aber verlernt hat? Gamification in der Projektkommunikation und -steuerung kann hier helfen. Scoreboards für die Erfüllung von Aufgaben, auch gekoppelt an den Projektplan, sind schnell erstellt. Ob in Excel oder mit anderen Tools.
Alles, was es braucht, ist ein transparentes Punktesystem für klar definierte Aufgaben, Milestones und Punkte, die für erledigte Aufgaben vergeben werden. Diese Punkte können so steuernd eingesetzt werden. Gibt es zu wenig teamweite Unterstützung? Scores für Mitarbeiter, die andere bei ihren Aufgaben unterstützen, sind die Antwort. Gibt es ein Qualitätsproblem bei der Projekterfüllung? Mehrstufige Medaillen-Systeme für Arbeitsleistungen nahe an der Definition of Done können Wunder bewirken. Gamification muss nicht zum Einzelkämpfertum führen, es kann auch für die Zusammenführung des Teams genutzt werden.
Für Projektmanager ist Gamification eine recht einfache Methode, um das Team bildhaft und kontextbezogen zum aktuellen Projektstatus kreativ zu informieren. Die Modelle können hier von bekannten Apps und Games übernommen werden. Von klassischen Leaderboards aus Arcade-Games bis zu Plaketten oder T-Shirts – bei der Umsetzung gibt es wenig kreative Grenzen. Wichtig ist hier: Was passt zum Team? Denn Gamification kann schnell aufgesetzt und künstlich wirken und Übereinsatz kann einzelne im Team verschrecken.
Punkte für die Pünktlichkeit
Ein einfacher und schneller Ansatz ist zum Beispiel ein Punktesystem für Pünktlichkeit in Meetings. In Teams gibt es immer wieder einzelne Personen, die dauerhaft unpünktlich zu Meetings kommen. Zumeist führt dies zu verlängerten Meetings für alle. Zu Anschlussmeetings kommen dann alle auch zu spät. Mit Hilfe von Gamification kann unser Projektmanager hier ansetzen.
Teammitglieder, die pünktlich kommen, erhalten dafür Punkte. Diese werden sichtbar geführt. Somit werden die Verspäteten sichtbar und das Team kann sie motivieren, das Verhalten abzustellen. Ferner kann das Punktesystem auch dahingehend erweitert werden, dass man ab einer bestimmten Punktzahl etwa früher Feierabend machen kann, damit echte Anreize entstehen.
Gamification kann am Ende natürlich nicht ein dauerhaftes Zuspätkommen beenden, da braucht es disziplinarische Führung. Es kann aber steuernd eingreifen. Man kann Gamification an vielen Stellen ansetzen – Aufgabenabschluss, Erreichung von Qualitätszielen. Projektmanager haben hier viele Möglichkeiten. Einfach einmal ausprobieren!
Projektvisualisierung – Projekte mit dem Metro-Plan
Wer schaut schon gern auf GANTT-Charts, Excelpläne oder digitale Kanban-Boards? Insbesondere dann, wenn es ein komplexes Projekt ist, das noch mit Externen oder mehreren internen Abteilungen durchgeführt wird? Viele, darunter Projektmanager selbst, schauen hier oftmals nicht mehr durch.
Aber auch hierfür gibt es kreative Lösungen, beispielsweise den Metro-Projektplan. Diese Art der Visualisierung und Kontextualisierung bietet insbesondere bei Projekten mit unterschiedlichen Methoden, vielleicht mehreren Projektmanagern etc. eine dauerhaft funktionierende Übersicht. Ferner auch eine einfache Verständigungsebene, ohne immer in Details abtauchen zu müssen. Was ist generell wichtig, wo gibt es Blockaden, wo gibt es Showstopper, die alle andere Projektschritte stoppen können? All das kann man hier gut visualisieren und in Meetings besprechen.
Wichtig ist, dass natürlich unterhalb des Metro-Plans auch weiterhin Detailpläne liegen und vor allem die Dokumentation des Projektes durchgeführt wird. Dieses Framework ersetzt keine agile oder klassische PM-Methode. Es liefert Kontext für Abstimmungsmeetings und bietet Übersicht für alle Projektteilnehmer, auch diejenigen, die nur temporär am Gesamtprojekt arbeiten.
Der Metro-Plan in der Anwendung
Aber wie kann das konkret unserem Projektmanager helfen? Mit einem Metro-Plan kann er mehr Kontext schaffen. Indem die Visualisierung klarer macht, dass wenn eine Station vom Projektzug nicht erreicht wird und ganze nachfolgende Bereiche nicht starten können, gibt unser Projektmanager mehr Übersicht an sein Team. Klar, wer gute Excelpläne baut, hat das vielleicht auch anderweitig im Griff, dennoch fällt es Teams nicht immer leicht, die Abhängigkeiten von Aufgaben allein anhand von Balken und Prozenten zu verstehen. In unserem Beispiel vom Start, wo Hardware nicht rechtzeitig eintreffen wird, kann ein Metro-Plan von Beginn an das Team befähigen, diesen Zusammenhang eigenständig aufzuzeigen, damit es zu keinem Stillstand oder zu einer Verzögerung kommt.
Neue Methoden wie der Metro-Projektplan erweitern die Kommunikationsmöglichkeiten im Team und bieten auch Spezialisten die Chance, neu mit Projektmanagern zusammenzuarbeiten.
Am Ende kommt es auf den Mut an. Wer aus der Excel-Ecke rauswill, raus aus den Vorwürfen, nie wirklich etwas zum Projekt beitragen zu können, weil er oder sie fachlich weit weg sei, sollte zu kreativen Methoden in der Projektsteuerung und -kommunikation greifen – und so dem Team die eigene Wichtigkeit zeigen.
Unsere Tipps zum weiterlesen:
Tim Harford: Messy – How to Be Creative and Resilient in a Tidy-Minded World
Nancy Duarte: Data Story
Scott E. Page: The Model Thinker: What You Need to Know to Make Data Work for You
Dieser Artikel ist bei Golem.de am 02.12.2022 erschienen.