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Hybride Arbeit – Das Schlechteste aus zwei Welten?

Dezember 9, 2022
Dezember 9, 2022 Jakob

Hybride Arbeit – Das Schlechteste aus zwei Welten?

Hybrides Arbeiten misslingt oft - muss es aber nicht.

Hamburg, Montag, 9:45 Uhr, ein Meetingraum mit sieben Kolleginnen und Kollegen. Alle schauen in ihre Notebooks, die Raumkamera ist an, das Mikrofon ebenso. Zugeschaltet sind drei Teammitglieder, die sich bei Kunden oder im Homeoffice oder auf einer Messe befinden, hybrider Arbeitsalltag. Zu Beginn findet noch ein geregelter Austausch statt, aber nach kurzer Zeit unterhalten sich die im Raum Anwesenden miteinander, die remote Zugeschalteten verstehen nichts mehr und suchen parallel nach der nächsten Urlaubsdestination. So endet jedes noch so gut vorbereitete Meeting ohne Ergebnisse und mit Frust auf allen Seiten. Leider so oftmals der Ist-Zustand der hybriden Arbeit in Deutschland.

Das kommt wahrscheinlich vielen bekannt vor. Hybride Meetings, also vor Ort und zugleich im Digitalen, sind schwerer zu handhaben als Meetings, die entweder ausschließlich im Büro oder per Videokonferenz stattfinden. Und so ist hybrides Arbeiten oft nicht das Beste, sondern das Schlechteste aus beiden Welten.

Kaum ein Tag ohne neue Ankündigungen zu hybrider Arbeit

Dabei sind die Hoffnungen in das Arbeitsmodell groß. Schon vor Corona haben viele Unternehmen hybrid gearbeitet – und die Pandemie hat einen Schub gegeben: Fast täglich werden neue Regelungen zum hybriden Arbeiten veröffentlicht. Von Apple bis Teslaalle suchen nach neuen Wegen und Spielregeln für die Zusammenarbeit nach der Coronazeit.

Hybride Arbeit umfasst alle Arbeitsformen, bei denen der Arbeitsort und die Arbeitszeit frei von Teams, Mitarbeitern und Unternehmen gewählt werden können. Der Arbeitsort in der hybriden Arbeit ist nicht notwendigerweise das Homeoffice. Er war es bestimmt in den letzten Coronajahren, aber in der hybriden Arbeit geht es um alle Remote-Arbeitsformen. Arbeit beim Kunden, Arbeit aus Workspaces und ja, auch Arbeit vom Strand aus.

2+3-Regel oder alle dürfen alles – es sind viele unterschiedliche Ansätze dabei. Ihnen gemeinsam ist die Hoffnung, vieles besser zu machen als noch vor der Pandemie, die starren Vorortarbeitsregeln aufzuheben und damit doppelt zu gewinnen: die enge Kommunikation und Zusammenarbeit und die klare Abgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit der Vorortarbeit zu paaren mit der Selbstbestimmtheit und Flexibilität der Remote-Arbeit.
Dass dies in der Praxis oft misslingt, liegt an mehreren, gleichzeitig wirkenden Herausforderungen, darunter: fehlende technische Voraussetzungen und Ausstattung, ungleiche Nähe zwischen Teilnehmenden und daraus resultierend keine gleiche Augenhöhe und Verbindlichkeit. Das zeigt das folgende Beispiel aus der Praxis.

So misslingt hybrides Arbeiten

Digital und vor Ort haben ihre eigenen Vorteile, die sich nur schwer in die andere Sphäre transportieren lassen. Schauen wir in ein Softwareunternehmen (Mittelstand in Deutschland, ca. 50 Angestellte) und seine Herausforderung bei der Einführung hybrider Arbeit.

Der Ansatz der dezentralen und zeitunabhängigen Arbeit wurde dort schon lang vor Corona eingeführt, das aber nur für bestimmte Mitarbeitergruppen, insbesondere Sales. Die Angestellten aus anderen Abteilungen mussten starre Kernarbeitszeitregelungen im Büro einhalten, aber die Zusammenarbeit mit Sales per Video-Call, Telefon und CRM abwickeln.

Diese starre Zweiweltenregelung führte immer wieder zu Unmut in der Belegschaft. Die IT der Firma hätte schon zu diesem Zeitpunkt hybride Zusammenarbeit für die meisten Angestellten bereitstellen können, im Management wurde aber auf eine Präsenzkultur gesetzt.

Mit Corona gingen dann alle zumeist ins Homeoffice und arbeiteten so in hybrider Arbeitskultur. Die Umstellung war schwierig und kostenintensiv. Von der Anschaffung, Einrichtung von rund 45 Notebooks und Zubehör (durch ein kleines Systemhaus), Einrichtung von VPN für alle und eines abteilungsübergreifenden Datenaustausches – in der Hochphase der Coronapandemie kamen dieses und andere vergleichbare Unternehmen ins Schwanken. Alte, zumeist papierbasierte Prozesse konnten nicht zeitnah digitalisiert werden. Angestellte fremdelten mit dem Video-Call als Ersatz für persönliche Meetings im Büro. Alles in allem eine harte Lernphase.

Wenn der Kontakt verloren geht

Seit 2022 suchte dieses Unternehmen eine Möglichkeit, mehr Akzeptanz für die hybride Zusammenarbeit zu schaffen. Alle sollten nun an festen Tagen remote arbeiten können und an anderen Tagen im Office sein. Diese Lösung wurde vom Management vorgestellt und auch zeitnah umgesetzt.

Die Folge? Die Mitarbeiter, die das Office vermissten, waren wieder viel vor Ort und machten Meetings ohne die nun Remote-Arbeitenden. Die andere Remote-Gruppe verlor den Zusammenhalt zur eigentlichen Bürogemeinschaft – und das, obwohl sich vor Corona viele eine hybride Zusammenarbeit gewünscht hatten.

Diese Entwicklung kann passieren, muss aber nicht. Bei einer solch tiefgreifenden Umstellung müssen ein paar Dinge beachtet werden, sonst ist hybride Zusammenarbeit das Schlechteste aus beiden Welten.

Faktoren für den Misserfolg

Die Einführung von hybrider Arbeit ist nicht trivial und die Akzeptanz dafür ist schnell dahin. Das liegt zumeist an der mangelnden Kommunikation dazu. Warum wollen wir hybrid arbeiten? Was ist der Vorteil/Nachteil? Wie sieht das konkret aus? Diese Fragen sollten schon beantwortet werden können.

Bremsende und hinderliche Faktoren für hybride Arbeit:

  • Kommunikation von oben nach unten mit unklaren Beschreibungen, was hybride Arbeit genau leisten soll
  • One Rule to bind them all – 3+2 fürs gesamte Unternehmen oder feste Bürotage; in vielen Unternehmen gibt es schon aufgrund der unterschiedlichen Aufgaben keine sinnvolle, einheitliche Lösung, die für alle gelten kann
  • Echte Technik gibt es nur im Büro, um den Arbeitsplatz gegenüber remote aufzuwerten, und weil die IT-Sicherheit für hybride Arbeit nicht ausgelegt ist
  • Einführung von digitalen Kommunikationstools, ohne entsprechende Evaluation, was gebraucht wird, und Schulungen, um alle auf einen gemeinsamen Stand zu heben
  • ein veraltetes Führungsbild, in dem die Überzeugung herrscht: Was ich nicht sehe, findet nicht statt (und das Führungskräfte und Mitarbeiter gleichsam haben können)

Wie hybrides Arbeiten funktioniert

Zu Beginn: Es gibt kein Patentrezept hier, auch nicht von Ratiopharm. Unternehmen, Teams und Organisationen müssen für sich herausfinden, wie man hybride Arbeit implementiert und austariert. Aber man kann von anderen lernen und Fehler vermeiden.

Die digitale Zusammenarbeit in der hybriden Welt hat in den letzten Jahren riesige Schritte unternommen. Kollaboration, Videokonferenzen und das Metaverse, all diese Entwicklungen werden für Unternehmen immer einfacher, kostengünstiger verfügbar und erlauben somit auch immer individuellere Umsetzungen von hybrider Arbeit.

Alles, was kompliziert, aber organisiert und strukturiert ist, kann bestens über digitale Kanäle, zumeist sogar ohne Meeting, bearbeitet werden. Dennoch gibt es immer noch Bereiche, in denen es schwierig wird, Unternehmensaufgaben digital zu lösen. Die Faustregel hier: Je emotionaler, je unstrukturierter, je komplexer (nicht komplizierter) eine Aufgabe ist, umso eher braucht es einen möglichst direkten Kontakt zwischen den Beteiligten, etwa in einem 1:1-Video-Call oder dann doch in einem Meeting vor Ort im Büro.

Fürs Soziale braucht es das Büro

Für die Büro-Sphäre gelten somit umgekehrte Vorzeichen, denn das Büro behält seine Vorzugsrolle bei allen sozialen und emotionalen Themen in einem Unternehmen. Teamaufbau, Onboarding, Visionsvorstellungen, Mitarbeitergespräche – all das sollte möglichst vor Ort stattfinden, da hier die direkte Kommunikation (verbal, nonverbal) wichtig ist, um keine Missverständnisse zu schaffen. Einfache Statusmeetings, Abstimmungstermine oder Meetings ganz ohne Agenda, wie sie leider heute noch oft einberufen werden, müssen dafür nicht mehr in einem Büro stattfinden. Sie können digital besser stattfinden.

Für beide Orte gilt aber gleichsam: die Rücksichtnahme auf die Kollegen. Wer ins Büro zur Arbeit kommt, sucht nicht zwingend den sozialen Austausch, sondern manchmal die Ruhe vor dem Zuhause und seinen Umständen. Ebenso ist es nicht notwendig, Teammitglieder um 23 Uhr auf Slack und Co. anzuschreiben, um die eigene Geschäftigkeit unter Beweis zu stellen. Zusammenarbeit ist nur mit Rücksicht und Umsicht möglich.

Erfolgsfaktoren sind zumeist:

  • gemeinsames Zielbild für hybrides Arbeiten im Unternehmen: Management, Teams und Mitarbeiter
  • nicht eine Lösung für alle; Teams und Orga-Einheiten können eigene Regeln für die Umsetzung hybrider Arbeit finden
  • eine einheitliche technische Ausstattung für Büro und Remote-Arbeit, Hand in Hand mit der IT-Abteilung
  • stetige Schulungen für alle Beschäftigten (inkl. Management und Geschäftsführung)
  • ein neues Führungsbild, das Informationen zirkulieren lässt, ebenso wie Verantwortlichkeiten

Fazit

Hybrid wollen und hybrid arbeiten ist nicht dasselbe. Viele Unternehmen, wie auch hier gezeigt, arbeiteten schon vor Corona dezentral. Die Art der Umsetzung, die Gründe und die Akzeptanz sind die Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Dann klappt es auch mit der hybriden Zusammenarbeit.

Dieser Artikel ist bei Golem.de am 18.08.2022 erschienen.

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